Grigory Sokolov, Klavier
„..Sokolovs Magie aber entsteht im Augenblick, in seiner feinen Kunst, Musik über Epochengrenzen hinweg zu beleben, zum Schweben zu bringen, immer eingedenk, dass unsere Spiele enden müssen.“
Der Tagesspiegel, 11.04.2019
Der einzigartige, unwiederholbare Charakter von live gespielter Musik ist ein entscheidender Aspekt, um die Ausdrucksschönheit und die bezwingende Ehrlichkeit von Grigory Sokolovs Kunst zu verstehen. Die poetischen Interpretationen des russischen Pianisten, die mit mystischer Intensität im Konzertsaal lebendig werden, basieren auf einer fundierten Kenntnis seines umfangreichen Repertoires. So umfassen seine Rezital-Programme die gesamte Musikgeschichte: von Transkriptionen geistlicher Polyphonie des Mittelalters und Werken für ein Tasteninstrument von Byrd, Couperin, Rameau, Froberger und Bach, über das klassische und romantische Repertoire, besonders Beethoven, Schubert, Schumann, Chopin und Brahms bis hin zu Schlüsselkompositionen des 20. Jahrhunderts von Prokofieff, Ravel, Scriabin, Rachmaninoff, Schönberg und Strawinsky.
Grigory Sokolov wurde am 18. April 1950 in St. Petersburg geboren. Als Fünfjähriger begann er mit dem Klavierspiel, zwei Jahre danach nahm er sein Studium bei Liya Zelikhman an der Zentralen Musikschule des Leningrader Konservatoriums auf, und mit 12 Jahren gab er sein erstes Rezital in seiner Heimatstadt. Als Sechzehnjähriger machte der junge Sokolov Schlagzeilen über die Sowjetunion hinaus, als er im Jahr 1966 – als jüngster Musiker überhaupt – die begehrte Goldmedaille des Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerbs in Moskau erhielt. Während Grigory Sokolov in den 1970er-Jahren ausgedehnte Konzertreisen in die USA und nach Japan unternahm, entwickelten sich, fernab vom internationalen Scheinwerferlicht, seine künstlerischen Fähigkeiten weiter und wurden reifer. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion begann Sokolov, in den großen internationalen Konzertsälen und bei den wichtigsten Festivals aufzutreten. Als Konzertsolist arbeitete er mit vielen Orchestern, wie dem New York Philharmonic, Concertgebouworkest Amsterdam, Philharmonia Orchestra in London, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und den Münchner Philharmonikern, bevor er sich letztlich entschloss, nur noch Solo- Rezitals zu spielen.
Heute gibt Grigory Sokolov etwa 70 Konzerte pro Spielzeit; dabei widmet er sich jeweils ganz
einem einzigen Programm. Sokolov gehört zu den eher seltenen Pianisten, die sich sehr für die Mechanik, das Innenleben eines Flügels interessieren. Er liebt es, sich mit dem Stimmer vor Ort über den zu spielenden Flügel auszutauschen; für ihn hat jeder Flügel seinen eigenen unverwechselbaren Charakter, den es zu erkennen gilt. Für Sokolov geht es im Zusammenspiel zwischen dem Pianisten und Flügel um eine Partnerschaft. Nur so kann er die ganze Bandbreite eines Instrumentes ausloten. Kritiker beschreiben oft seine Fähigkeit, inmitten eines polyphonen Textes individuelle Stimmen hervorzuheben.
Sokolov ist exklusiv bei der Deutschen Grammophon: Die erste CD erschien 2015, ein Livemitschnitt von den Salzburger Festspielen mit Werken von Mozart, Chopin, Bach, Rameau und Scriabin; 2016 folgte eine CD mit Werken von Schubert und Beethoven. Im Jahr 2017 veröffentlichte die DG ein Album mit
Klavierkonzerten von Mozart und Rachmaninoff, begleitet vom Dokumentarfilm A Conversation That Never Was (auf DVD) von Nadja Zhdanova, ein Portrait Grigory Sokolovs, basierend auf Interviews von Freunden und Kollegen des Maestros, ergänzt durch bislang unveröffentlichtes Material aus Privat-Archiven. Einer Doppel-CD mit DVD aus dem Jahr 2020 mit Werken von Beethoven, Brahms und Mozart, folgte im April 2022 die Veröffentlichung einer Konzertaufnahme aus dem Schloss Esterhazy in Eisenstadt, die drei Sonaten von Haydn, die Vier Impromptus D 935 von Schubert und eine großzügige Auswahl an Zugaben enthält.